Kennst du das gefährlichste Hormon im Körper? Sobald wir es dauerhaft ausschütten, wird es kritisch. Wir bauen Muskulatur ab und unser Blutzuckerspiegel gerät außer Kontrolle. Wir lagern vermehrt Bauchfett ein. Das Stresshormon Cortisol steht in enger Verbindung zu vielen Zivilisationskrankheiten. Erfahre alles über seine Funktionen und Risiken und erhalte praktische Tipps, wie du den Cortisolspiegel senken kannst.
Stresshormon Cortisol: Entstehung und Regulation
Cortisol ist auch als Hydrocortison bekannt. Es handelt sich um einen Botenstoff aus der Nebennierenrinde. Gebildet wird das Glucocorticoid in mehreren Reaktionsschritten aus Cholesterol. An dessen Regulation sind Hypothalamus, Hypophysenvorderlappen und Nebennieren beteiligt. Zuerst stimuliert das CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) aus dem Hypothalamus die Produktion des ACTH (adrenocorticotropes Hormon) im Hypophysenvorderlappen. Dieses kurbelt wiederum die Produktion von Cortisol an. Über einen Rückkopplungsmechanismus kann Cortisol sowohl das CRH als auch das ACTH hemmen. Dadurch reguliert unser Körper seine Hormonspiegel intern.
Normale Cortisolwerte und ihre Schwankungen
Cortisol unterliegt erheblichen zirkadianen (tagesrhythmischen) Schwankungen. Die Werte sind nicht konstant. Sie unterscheiden sich je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen. In den ersten 90 Minuten nach dem Erwachen am frühen Morgen sind die Spiegel am höchsten. Am Abend sinken die Werte ab, um uns optimal auf die Nachtruhe einzustimmen. Dementsprechend variieren auch die Referenzbereiche:
Wie wirkt das Stresshormon Cortisol im Körper?
Stehen wir unter Strom, schütten wir viel Cortisol aus. In diesem Moment ist das physiologisch auch sinnvoll. Dadurch gelangen wir in die typische „Fight-or-Flight”-Situation. Das ruft den Sympathikus auf den Plan. Puls und Blutdruck werden erhöht und unsere Pupillen weiten sich. Muskeltonus und Blutzuckerspiegel steigen, um den Körper schnell Energie bereitzustellen. Nach akutem Stress erholt sich unser System relativ schnell. Doch was passiert, wenn wir im Hamsterrad landen? Dann bleibt der Cortisolspiegel auf einem konstant hohen Niveau. Allerdings nur so lange, wie die Nebennieren ihre Funktion aufrechterhalten können. Dauerhafter Stress führt daher zur Schwäche dieses Organs. Das wird als Adrenal Fatigue bezeichnet. Da nahezu alle Gewebe im Organismus über einen Corticoidrezeptor verfügen, entfaltet es vielfältige physiologische Effekte. Die höchste Rezeptorendichte finden wir in Muskulatur, Haut, Fettgewebe, Leber und Immunzellen. Darüber hinaus beeinflusst Cortisol auch den Stoffwechsel der drei Makronährstoffe.
So beeinflusst das Stresshormon Cortisol den Kohlenhydrat-Stoffwechsel
Als Gegenspieler zum Insulin fördert Cortisol die Glucoseneubildung aus Aminosäuren. So stabilisiert unser Körper während Perioden des Nährstoffmangels (Radikaldiäten!) den Blutzuckerspiegel. Dauerhafter Stress im Alltag kann daher die Entstehung eines Diabetes mellitus begünstigen.
So beeinflusst das Stresshormon Cortisol den Protein-Stoffwechsel
Nehmen wir über einen langen Zeitraum zu wenig Kalorien auf, setzen wir unseren Körper unter enormen Druck. Jetzt initiiert Cortisol den Abbau von Muskelproteinen zu Aminosäuren. Im Rahmen der Gluconeogenese entsteht die Glucose als unser wichtigster Energielieferant. So verlieren wir Muskelmasse und Knochendichte. Da Cortisol zusätzlich die knochenaufbauenden Osteoblasten hemmt und gleichzeitig die abbauenden Osteoklasten aktiviert, kann Osteoporose entstehen.
So beeinflusst das Stresshormon Cortisol den Fett-Stoffwechsel
Cortisol fördert die Freisetzung von Fettsäuren aus den entsprechenden Depots. Bei Dauerstress findet eine ungünstige Umverteilung statt. Beispielsweise nimmt das gesundheitsschädliche viszerale Bauchfett stark zu. Du hast vermutlich schon vom Skinny-Fat-Phänomen gehört – also Menschen, die eigentlich schlank und teilweise untergewichtig sind, aber eben nicht definiert. Im Verhältnis zur Muskelmasse haben sie einen relativ hohen Körperfettanteil. Dadurch leiden sie oft an Cellulite und haben einen leichten Bauchansatz. Zu viel Stress verstärkt die Problematik.
So beeinflusst das Stresshormon Cortisol Wasser- und Elektrolythaushalt
Hier reagiert Cortisol über den Mineralcorticoidrezeptor. Auf diese Weise entfaltet es eine ähnliche Wirkung wie Aldosteron. Die Ausscheidung von Kalium wird gesteigert, die Rückresorption von Calcium gehemmt. Gleichzeitig werden Natrium und Wasser in der Niere angereichert, wodurch eine Störung der Nierenfunktion resultiert.
Warum schwächt zu viel Cortisol das Immunsystem?
Cortisol wirkt antientzündlich. Es hemmt die Synthese der Prostaglandine. Sie gehören zu den entzündungsfördernden Gewebshormonen. Aufgrund dieser Eigenschaft werden Glucocorticoide in der Medizin und Pharmazie bei Hauterkrankungen angewendet.
Auch immunologische Vorgänge werden effektiv durch das Stresshormon unterbunden. So verhindert Cortisol die Vermehrung von T- und B-Lymphozyten. Dadurch findet keine Zelldifferenzierung statt. Unsere T-Helferzellen produzieren keine Interleukine (Botenstoffe) – ergo auch keine Antikörper. Dauerhaft erhöhte Spiegel führen zu einer Lymphopenie (Lymphozytenmangel). Auf lange Sicht wird auf diese Weise die Infektanfälligkeit erhöht und du bist häufiger erkältet.
Warum führt chronischer Stress zu Schlafstörungen?
Cortisol wirkt als Gegenspieler zum „Schlafhormon“ Melatonin, welches unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuert und das Einschlafen initiiert. Dessen Produktion wird durch den Lichteinfall auf die Netzhaut unseres Auges reguliert. Bei Dunkelheit steigt sie an. Cortisol unterdrückt Melatonin und dessen Wirkungen. Die Folge bei Dauerstress: Schlafstörungen.
Warum löst chronischer Stress Depressionen aus?
Einen ähnlichen Effekt entfaltet Cortisol auf das Serotonin. Dieses bezeichnen wir landläufig als „Glückshormon“. Cortisol hemmt dessen Synthese und fördert gleichzeitig den Verbrauch. Die Folge: Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen. Außerdem scheint chronischer Stress zur Störung des Kurzzeitgedächtnisses zu führen. So werden Erkrankungen wie Alzheimer und Demenz begünstigt.
Zu viel Cortisol – das sind die Symptome
Woran erkennst du, dass dein Cortisolspiegel zu hoch ist? Die Symptome lassen sich direkt aus den physiologischen Wirkungen ableiten:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit sowie Konzentrationsschwäche
- depressive Verstimmungen bis hin zum Burnout
- erhöhte Blutdruck- und Blutzuckerwert
- Knochenschmerzen und erhöhte Sturzgefahr bzw. Osteoporose
- Gewichtszunahme (z.B. Cushing-Syndrom)
- Libidoverlust bei Männern sowie Zyklusstörungen bei Frauen
- Hautveränderungen (z.B. Stressakne)
- häufige Infekte, da Cortisol immunsuppressiv wirkt
- Schilddrüsenunterfunktion, da Cortisol die Ausschüttung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 hemmt
- Schädigung der Nebennieren (Adrenal Fatigue)
Zu wenig Cortisol – das sind die Symptome
Sobald die Nebennieren aufgrund eines chronischen Cortisolüberschusses geschädigt wurden, entsteht im Körper ein Cortisolmangel. Hier treten folgende Symptome auf:
- Gewichtsverlust und Muskelschwäche
- Schwindel, Müdigkeit sowie Schwächegefühl
- Appetitlosigkeit bis hin zu Übelkeit bzw. Erbrechen
- Haarausfall und brüchige Nägel
- Depressionen, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen
- verminderte Blutdruck- und Blutzuckerwerte bis hin zu hypoglykämischen Schockzuständen aufgrund von Unterzuckerung
Cortisolspiegel messen: Einfacher Cortisol-Test für zu Hause
Um den Cortisolspiegel zu messen, gibt es verschiedene Methoden. Bluttests, Speicheltests und Urintests sind gängige Verfahren. Aufgrund der Schwankungen im Tagesverlauf solltest du mehrere Messungen zu verschiedenen Zeiten vornehmen. Der Cortisol-Speicheltest ist einfach zu Hause durchzuführen. Hierzu werden Proben direkt nach dem Aufstehen, um die Mittagszeit und ggf. am Abend entnommen. Bei einem physiologischen Verlauf erhältst du die höchsten Werte am Morgen. Danach nehmen sie kontinuierlich ab. Ein solcher Test kann für dich sehr aufschlussreich sein und dir wertvolle Antworten auf gesundheitliche Fragen liefern.
Wie lässt sich das Stresshormon Cortisol senken?
Die Klassiker zur Senkung des Cortisolspiegels sind Meditation und Achtsamkeitstechniken. Genauso hilfreich sind Atemübungen und ausreichend Me-Time. Nimm dir mehr Zeit für dich und deine Bedürfnisse und vermeide Ablenkungen (Stichwort: Digital Detox). Behalte außerdem den natürlichen Verlauf des Cortisolspiegels im Hinterkopf. Am Morgen erhöht, am Abend reduziert. Soll heißen: Vermeide Aufregung kurz vorm Schlafengehen – sei es durch einen aufwühlenden Film oder die Nachrichtensendung um 20 Uhr. Weiterhin wichtig: Monotasking statt Multitasking. Erledige die Dinge lieber eins nach dem anderen. Dadurch arbeitest du viel fokussierter und bist deutlich produktiver. Auch regelmäßige Bewegung ist extrem hilfreich, denn damit baust du effektiv Stress ab. Gleichzeitig stärkst du damit deine körperliche Konstitution. So schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe.
Fazit: Ein ausgewogener Cortisolspiegel für ein gesundes Leben
Cortisol ist für uns überlebenswichtig, denn es stellt uns in Stresssituationen die notwendige Energie bereit. Chronisch erhöhte Werte sind jedoch für uns gefährlich. Ein Cortisolüberschuss begünstigt die Entstehung zahlreicher Erkrankungen und schwächt das Immunsystem. Im schlimmsten Fall drohen Burnout und Adrenal Fatigue. Ein bewusster Lebensstil hilft dir dabei Stress zu reduzieren. Integriere Meditation, Yoga, Achtsamkeitsübungen, Atemtechniken, genügend Me-Time, digital Detox und regelmäßige Bewegung als positive Routinen in deinen Alltag. So kannst du den Spiegel deines Stresshormons senken und ein ausgeglichenes Leben genießen.
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Autorin: Fanny Patzschke
Apothekerin, staatlich geprüfte Ernährungsberaterin, lizenzierte Fitnesstrainerin, zertifizierte Yogalehrerin, Vegan Raw Chef
- Schaible, H.-G.; Mutschler, E.; Vaupel, P.: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, 7. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015
- Bley, C.-H.; Centgraf, M.; Cieslik, A.; Hack, J.: I care Anatomie, Physiologie, 1. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2018
- Brandes, R.; Lang, F.; Schmidt, R.F.: Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, 32. Auflage, Springer Verlag, 2019
- Wilson, J.; Hickisch, B.: Grundlos erschöpft?: Nebennieren-Schwäche – das Stress-Syndrom des 21. Jh., 1. Auflage, Goldmann Verlag, 2011
- Rensing, L.; Koch, M. et al.: Mensch im Stress: Psyche, Körper, Moleküle, 1. Auflage, Springer Verlag, 2013
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich glaube das habe ich auch. Ich habe in letzter Zeit so viel zugenommen. Ich weiß nicht warum. Mache nichts anders als vorher. Kann man das irgendwie bestimmen lassen?
Frage mal der Arztpraxis deines Vertrauen nach. Alternativ kannst du deinen Cortisolwert auch mithilfe eines Speicheltests ganz bequem zu Hause messen. Schau z.B. mal hier: https://amzn.to/42sjQbT.
Herzlichen Dank. Das werde ich mal probieren.
Sehr gern. Alles Gute für dich.