Intermittierendes Fasten – auch als Intervallfasten bekannt – ist aktuell angesagter denn je. Dabei ist es keine Erfindung der Neuzeit. Ob im Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus oder Buddhismus – in allen bedeutenden Religionen spielt der Prozess der Nahrungskarenz eine tragende Rolle. Doch was verbirgt sich genau hinter diesem Begriff? Warum schwören so viele Menschen darauf? Ist Fasten wirklich eine der besten Diät-Methoden um abzunehmen? Lass uns in die spannende Welt von Ketose, Autophagie und Co. eintauchen und erfahre, wie du durch Nahrungspausen ein gesünderes und fitteres Ich kreierst.
Was ist intermittierendes Fasten?
Intermittierendes Fasten beschreibt den freiwilligen und bewussten Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel über einen bestimmten Zeitraum. Es basiert auf dem natürlichen Wechsel von Nahrungsaufnahme und Essenspausen. Die Wurzeln des Fastens liegen dabei tief in unserer evolutionären Vergangenheit – Stichwort: Steinzeit.
Evolutionäre Wurzeln des Fastens
Versetzen wir uns einmal in die Lage unserer Vorfahren. Wenn Ötzi und Co. nach erfolgreicher Jagd ein Mammut erlegt haben, wurde tüchtig gespeist. Dennoch mussten sie auch längere Hungerperioden verkraften. Blieb ihnen der Jagderfolg verwehrt, hieß es: Fasten. Unser Genom hat sich seit dieser Zeit kaum verändert. Daher ist es an den Wechsel von Nahrungsaufnahme und Essenspausen angepasst. Unsere Urahnen lebten nicht in überschwänglichem Luxus. Da gab es kein Frühstück am Morgen, Mittagessen gegen 12-13 Uhr und um 17 Uhr Abendbrot. Sie hatten auch nicht die Chance sich am Nachmittag noch einen Coffee-to-Go und ein paar Schokoriegel zwischendurch zu gönnen. Mit anderen Worten: unser Körper ist für den Fastenmodus programmiert. Doch unser heutiger Lebensstil mit ständigem Zugang zu Nahrung widerspricht diesem natürlichen Rhythmus. Kontinuierliches Snacken schadet dem Organismus. Die Folge dieses Überangebotes: Zivilisationskrankheiten wie z.B. Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und Gelenkbeschwerden sind auf dem Vormarsch.
Hunger oder Appetit?
Wir haben verlernt intuitiv zu essen. Dadurch sind wir nicht in der Lage zwischen echtem Hunger und bloßem Appetit zu unterscheiden. Wer kennt es nicht? Obwohl wir gerade genüsslich eine große Mahlzeit verzehrt haben, begleitet uns doch noch ein Stück Kuchen vom Bäcker um die Ecke. Der lag schließlich auf unserem Weg und die Düfte verführten uns zum Kauf. Wir verspüren Appetit, doch eigentlich sind wir gut gesättigt. Durch intermittierendes Fasten sensibilisieren wir unseren Körper. So entwickelt er das Gespür, wann es sich um ein echtes Hungergefühl handelt.
Der Hungerstoffwechsel
Beim Fasten fehlen dem Körper Kohlenhydrate. Der Insulinspiegel sinkt, während das Glucagon ansteigt. Zunächst baut der Organismus die Glykogenreserven in der Muskulatur und Leber zur Bedarfsdeckung ab. Dauert die Fastenperiode an, werden vermehrt Fettsäuren aus den Depots mobilisiert. In der Leber werden sie im Rahmen der Beta-Oxidation zu Acetyl-CoA abgebaut. Das nutzt unser Körper via Citratzyklus und Atmungskette zur ATP-Synthese. Bei einem Überschuss an Acetyl-CoA und Mangel an Oxalacetat entstehen Ketonkörper. Die können dem Gehirn als alternative Energiequelle neben Glucose dienen.
Bei der Ketose handelt es sich um einen alternativen Weg des Energiestoffwechsels. Nachfolgend stelle ich dir die Prozesse noch einmal grafisch dar:
Ketose: Vorteile und Risiken
Der Eintritt in die Ketose kann zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Die kann durch längere Fastenperioden oder eine ketogene Diät erreicht werden. Gerade diese Ernährungsform findet immer mehr Anhänger. Influencer aus diesem Bereich berichten via Social Media über mehr geistige Klarheit und einen aktiveren Stoffwechsel. Dazu reduzieren sie drastisch die Kohlenhydratzufuhr. Als Hauptenergiequelle dienen dafür Fette. Dennoch ist bei ketogener Ernährung über einen längeren Zeitraum Vorsicht geboten. Aktuelle Studien schlagen Alarm. Vieles deutet darauf hin, dass eine dauerhafte ketogene Ernährung das Risiko chronischer Krankheiten erhöhen kann.
Intermittierendes Fasten 16/8 und andere Methoden
Das wohl beliebteste Zeitmodell des intermittierenden Fastens ist die 16/8-Methode. Hierbei hältst du eine Nahrungspause von 16 Stunden ein. Ich bevorzuge sie ebenfalls. Erscheint dir dieser Zeitraum zu lang, dann starte zunächst mit einem 14/10 Fasten. Hier beträgt deine Nahrungskarenz 14 Stunden. Alternativ kannst du die Essenpause auch ausdehnen und die 18/6-Methode wählen. Das 5:2-Fasten hat ebenfalls seine treuen Fans gefunden. Hier isst du an fünf Tagen normal. An zwei Tagen reduzierst du die Kalorienzufuhr drastisch. Viele Menschen schwören auch auf das 24-Stunden-Fasten einmal wöchentlich. Jede Methode bringt ihre eigenen Vorteile mit sich. Du kannst sie alle an deine individuellen Bedürfnisse anpassen.
Plan zum Intervallfasten: Dein einfacher Einstieg
Du möchtest mit dem Intervallfasten beginnen? Dann kann ein einfacher Plan für intermittierendes Fasten 16/8 wie folgt aussehen:
- 12:00 Uhr: Mittagessen (erste Mahlzeit)
- 16:00 Uhr: ggf. Snack oder kleine Mahlzeit
- 20:00 Uhr: Abendessen (letzte Mahlzeit)
- danach: Pause
Während der Fastenzeit sind Wasser, ungesüßte Tees und Kaffee erlaubt. Andere Getränke, die Kalorien liefern, solltest du hingegen vermeiden. Sie unterbrechen die Nahrungspause.
Alternativ kannst du auch das Abendessen auslassen bzw. vorverlegen – beispielsweise auf 17 Uhr.
- 09:00 Uhr: Frühstück (erste Mahlzeit)
- 13:00 Uhr: Mittagsmahlzeit
- 17:00 Uhr: Abendessen (letzte Mahlzeit)
- danach: Pause
Intermittierendes Fasten: Vorteile für deine Gesundheit
Die positiven Effekte vom Intervallfasten sind vielfältig und durch zahlreiche Studien belegt. Dazu gehören:
- Hormonelle Balance: Fasten reduziert die Hormone Insulin und Cortisol. Gleiches gilt für das IGF1. Außerdem wird der Serotoninspiegel erhöht. Das hebt unsere Stimmung und reduziert Stress.
- Verbesserte Insulinsensitivität: Fasten kann das Risiko eines Typ-2-Diabetes verringern.
- Förderung der Autophagie: Dies ist ein zellulärer Reinigungsprozess. Dabei werden beschädigte Zellbestandteile abgebaut und recycelt. Es ist quasi unsere körpereigene Müllabfuhr.
- Verringerung des kardiovaskulären Risikos: Fasten hat einen positiven Einfluss auf erhöhten Blutdruck und Cholesterinspiegel.
- Weniger Entzündungen: Längere Nahrungspausen kurbeln die Heilungs- und Reparaturprozesse im Körper an.
Emotionale und psychologische Aspekte
Rolle. Viele Menschen berichten, dass ihnen intermittierendes Fasten hilft bewusster zu essen. So entwickeln sie eine gesündere Beziehung zu Nahrung und Lebensmitteln. Geregelte Mahlzeiten und Pausen verleihen dem Tagesablauf mehr Struktur. Wir steigern unser Wohlbefinden und fühlen uns fitter. So bleiben wir motiviert am Ball und entwickeln gesundheitsstärkende Routinen. Vorsicht ist allerdings bei Menschen mit Essstörungen geboten. Hier kann Fasten zu einem ungesunden Essverhalten führen.
Mit Intervallfasten Bauchfett reduzieren?
Intermittierendes Fasten wird oft als Wundermittel zum schnellen Abnehmen angepriesen. Das gilt insbesondere für das gesundheitsschädliche Bauchfett.
Doch sind diese Aussagen wirklich zutreffend? Was sagt die aktuelle Wissenschaft dazu? Ist Intervallfasten tatsächlich effektiv im Kampf gegen das hartnäckige Bauchfett oder handelt es sich um einen überbewerteten Trend?
Aktuelle Studienergebnisse: Bauchfett verlieren mit Intervallfasten
- Studie von 2020: Das Journal of the American Medical Association kam zu dem Schluss, dass Fasten zur Gewichtsreduktion nicht effektiver ist als eine herkömmliche Diät.
- Meta-Analyse von 2021: Hier wurden mehrere Studien zum Thema untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine Reduktion von Körpergewicht und Bauchfett. Allerdings waren die Unterschiede zu anderen kalorienreduzierten Diäten minimal.
- Cell Repots Studie von 2021: Diese Untersuchung lieferte komplett gegenteilige Ergebnisse. Hier führte intermittierendes Fasten sogar zur Zunahme des viszeralen Bauchfettes. Begründung: Das Bauchfett „gewöhnt“ sich an die Fastenzeit, so dass die Enzyme für die Fettverbrennung herunterreguliert werden. Da diese Studie an Mäusen durchgeführt wurde, besitzt sie eine geringe Aussagekraft. Inwieweit sich die Ergebnisse 1:1 auf den Menschen übertragen lassen, muss noch geklärt werden.
Unterschiede in der Effektivität
Warum sind die Ergebnisse so unterschiedlich? Ein Grund könnte die individuelle Anpassung an das Fasten sein. Einige Menschen reagieren sehr gut auf intermittierendes Fasten. Dabei verlieren sie deutlich Fett – auch am Bauch. Anderen hingegen bleibt der Erfolg verwehrt. Faktoren wie Genetik, Lebensstil und allgemeine Gesundheitszustände spielen eine wichtige Rolle. Weiterhin hängt der Fastenerfolg von der Qualität der Lebensmittel während der Essensfenster ab. Wer hier auf echte Lebensmittel vertraut und sich vitalstoffreich ernährt, hat beste Chancen. Verzehren Menschen hingegen leere Kalorien in Form von zuckerhaltigen Speisen oder Weißmehlprodukten, wird das die Körperzusammensetzung negativ beeinträchtigen.
Intervallfasten – wie lange?
„Wie lange sollte ich intermittierendes Fasten praktizieren?“ wirst du dich vielleicht fragen. Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Sie hängt von deinen individuellen Zielen ab. Was möchtest du damit erreichen? Einige Menschen fasten regelmäßig, andere hingegen nur an festgelegten Tagen oder zu bestimmten Zeiten im Jahr. Ganz wichtig dabei: Höre auf deinen Körper! Welche Signale sendet er dir? Wie fühlst du dich während der Fastenzeit? Wende dich bei Bedarf an den Arzt, Apotheker oder Heilpraktiker deines Vertrauens.
Wann ist intermittierendes Fasten nicht geeignet?
Nicht alle profitieren vom Intervallfasten. Bestimmte Risikogruppen sollten Vorsicht walten lassen bzw. einen Gesundheitsexperten ihres Vertrauens konsultieren. Zu den Kontraindikationen gehören: Untergewicht, Essstörungen, Schilddrüsenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen sowie Leber- und Nierenschwäche. Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sollten ebenfalls davon absehen. Nimmst du Medikamente ein, dann halte vorher Rücksprache mit deinem Arzt.
Fazit: Intermittierendes Fasten als Lebensstil
Intermittierendes Fasten ist keine Diät zum schnellen Gewichtsverlust. Betrachte es als eine gesunde Lebensweise, die deinen Körper in seiner Funktionsweise optimal unterstützt. Die zahlreichen Vorteile sind wissenschaftlich belegt. Dazu gehören:
- Regulation des Hormonhaushaltes
- Verbesserung der Insulinsensitivität
- Reduktion von chronischen Entzündungen
- Steigerung des allgemeine Wohlbefindens
Für viele Menschen kann Intervallfasten der Gamechanger in Sachen nachhaltige Ernährungsumstellung werden. Der individuelle Erfolg hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Egal, ob du 16:8 oder eine andere Strategie wählst – höre auf deinen Körper und taste dich langsam heran. Im Hinblick auf die Reduktion von Bauchfett solltest du dennoch keine Wunder erwarten. Finde heraus, was sich für dich stimmig anfühlt. In jedem Fall ebnet dir Intervallfasten effektiv den Weg zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden.
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Autorin: Fanny Patzschke
Apothekerin, staatlich geprüfte Ernährungsberaterin, lizenzierte Fitnesstrainerin, zertifizierte Yogalehrerin, Vegan Raw Chef
- Crosby L, Davis B, Joshi S, Jardine M, Paul J, Neola M and Barnard ND (2021) Ketogenic Diets and Chronic Disease: Weighing the Benefits Against the Risks. Front. Nutr. 8:702802. doi: 10.3389/fnut.2021.702802
- Varady KA, Cienfuegos S, Ezpeleta M, Gabel K. Cardiometabolic Benefits of Intermittent Fasting. Annu Rev Nutr. 2021 Oct 11;41:333-361. doi: 10.1146/annurev-nutr-052020-041327. PMID: 34633860
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- Sandmann, K.-F.; Michalsen, A.: Mit Ernährung heilen: Besser essen – einfach fasten – länger leben. Neuestes Wissen aus Forschung und Praxis, 4. Auflage, Insel Verlag, 2021
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- Bley, C.-H.; Centgraf, M.; Cieslik, A.; Hack, J.: I care Anatomie, Physiologie, 1. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2018
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich mach Intervallfasten schon seit fast 50 Jahren. Damals war das noch kein Trend. Ich bin jetzt fast 80 und fühle mich wie 40!
Respekt. Das ist großartig.